„Wir haben einen starken Deal-Flow“

Industrie 4.0 ist ein großes Thema in China und Asien. Viele Unternehmen dort setzen auf die Technologiekompetenz führender europäischer Anbieter. Für Private-Equity-Investoren bieten sich dadurch spannende Gelegenheiten. Eine Beteiligungsgesellschaft, die sich ganz auf die europäisch-asiatische Kooperation bei Industrietechnologien fokussiert, ist AGIC Capital. 2015 von Henry Cai initiiert und von Wolfgang Seibold mitgegründet, machte AGIC als Co-Investor bei der Übernahme von KraussMaffei jüngst von sich Reden. Interview Stefan Gätzner

Unternehmeredition: Ihr erstes Investment war die Übernahme von KraussMaffei als Co-Investor zusammen mit ChemChina. Welche technologischen Felder standen bei der Übernahme im Vordergrund und welche Rolle hat das Thema Automatisierung gespielt?

Wolfgang Seibold: KraussMaffei ist klarer globaler Technologieführer im Bereich der Kunststoffmaschinen und damit wichtiger Innovationstreiber in einer Vielzahl von Industrien. Insbesondere die Kompetenz des Unternehmens in der Leichtbautechnik hat uns begeistert. Diese ist ein wichtiger, oft unterschätzter Faktor für den Erfolg der Elektromobilität. Elektrische Antriebe alleine reichen nicht aus. Die Fahrzeuge müssen auch deutlich leichter werden. Daher stehen innovative Kunststoffstrukturen und Leichtbaukonstruktionen aktuell besonders im Fokus der Automobilindustrie. Hier haben die Produkte und Technologien von KraussMaffei mit den Bereichen Karbonfaser und Composite Materials sehr viel zu bieten. China ist dabei aktuell einer der wesentlichen Märkte weltweit. Dort sehen wir für KraussMaffei erhebliches Wachstumspotenzial. Aber auch die anerkannt führende Kompetenz und die weiteren Potenziale von KraussMaffei im Bereich der Prozessautomatisierung waren wichtige Faktoren bei der Übernahme.

In welchen Ländern außer Deutschland suchen Sie nach Unternehmen?

Unsere zentrale Investitionsregion ist der deutschsprachige Markt, wir investieren aber auch in benachbarten Ländern. Italien ist ein sehr spannender Markt, genauso wie Skandinavien und die Beneluxländer. Zudem beobachten wir  benachbarte Länder in Osteuropa.

Aus welchen Bereichen und Ländern stammen die Limited Partners von AGIC?

Unsere Investoren sind klassische institutionelle Anleger wie Sovereign Wealth Funds, Pensionskassen und Asset-Manager. Davon kommt heute ein Großteil aus Asien. Wir sind allerdings dabei, für das zweite Closing weiter zu internationalisieren und Investoren aus Europa und den USA hinzuzunehmen.

Mit dem ersten Alleininvestment in das italienische Unternehmen Gimatic hat AGIC einen Automatisierungsspezialisten erworben, der bisher erst einen relativ kleinen Teil seines Umsatzes in China macht. Wie werden Sie konkret das Unternehmen unterstützen?

Wir sind  mit den führenden asiatischen Robotik-Herstellern und Automatisierungsunternehmen im Gespräch und wollen so Gimatic helfen, die passenden Partner für die verschiedenen Industriesegmente zu finden, um so den chinesischen Markt besser zu erschließen.

Sind weitere Beteiligungen und Übernahmen in den nächsten Monaten in der Pipeline?

Wir haben einen starken Deal-Flow. Unser Mehrwert im asiatischen Markt kommt sehr gut an.  Das bringt viele Unternehmer, aber auch Berater dazu, uns aktiv anzusprechen. In der letzten Zeit sprechen uns auch immer mehr Fonds mit Vorschlägen zu Co-Investments an. Wir sehen also eine erfreuliche Nachfrage nach unserem Investmentansatz. Der Markt ist aktuell allerdings hart umkämpft, es besteht sehr viel Kaufinteresse und ein intensiver Wettbewerb unter den Bietern.

Welche Kriterien muss ein Zielunternehmen erfüllen, damit es für das Portfolio von AGIC in Betracht kommt?

Wir suchen Unternehmen mit einem nachhaltigen technologischen Wettbewerbsvorteil in einem attraktiven Wachstumsmarkt. Unsere Zielunternehmen erwirtschaften einen Umsatz von 20 bis 200 Mio. EUR und sind nachhaltig profitabel. Das Management der Unternehmen ist gut aufgestellt und hat die Ambition, international weiter zu wachsen. Dabei wollen wir die Unternehmen unterstützen.

Welche Unterstützung bieten Sie Ihren Portfoliounternehmen bei der Erschließung des asiatischen Marktes?

Zunächst verfügen wir über ein sehr gutes strategisches Verständnis der Zielmärkte. Über unser industrielles Netzwerk in Asien wissen wir auch, in welchen Segmenten ein Produkt aktuell zum Einsatz kommt oder nachgefragt wird. Das hilft uns bei der Erarbeitung von Empfehlungen für die optimale Aufstellung der jeweiligen Portfoliounternehmen in Asien. Wir arbeiten in Asien mit mehreren hundert Unternehmen zusammen. So können wir zielsicher passende Partnerschaften initiieren, wenn wir der Überzeugung sind, dass sie für das Portfoliounternehmen beim Eintritt in den asiatischen Markt beziehungsweise bei der Stärkung der Marktposition dort hilfreich sind. Bei der Umsetzung stehen wir als Team den Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite.

Wie sehen Sie insgesamt Perspektiven mit Blick auf den Markt für Robotik und Automatisierungstechnologie in Deutschland und China für die kommenden Jahre?

China steht am Anfang einer kompletten Modernisierung seiner Industrielandschaft. Im Rahmen dieser Modernisierungswelle sind enorme Investitionen in technische Produkte und Lösungen geplant. Davon können Mittelständler aus Europa und insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum profitieren. Gerade in den Bereichen Elektrotechnik und Maschinenbau prägen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) das Bild. Sie generieren nicht nur die Hälfte der Umsätze, sondern auch einen Großteil der relevanten Innovationen. Für diese Unternehmen bieten die chinesischen Investitionsprogramme große Potenziale. Wir sind überzeugt, dass wir mit der von uns angebotenen Brückenfunktion zu einer deutlichen Beschleunigung bei der Nutzung dieser Potenziale beitragen können. Und wir glauben, dass die Unternehmen durch unsere Hilfestellung deutlich internationaler werden können – insbesondere mit Blick auf den asiatischen Markt.

Wenn China künftig in das Spitzensegment der Robotik und Automatisierung drängt, welche Konsequenzen erwarten Sie dann für die deutschen Anbieter?

Gerade in der Verbindung von Maschinenbau und Elektrotechnik liegt die Kernkompetenz des deutschen Mittelstands. Über Jahre hinweg haben die Mittelständler als Spezialisten in den verschiedensten Industriesegmenten immer weiter an ihren Prozess- und Lösungskompetenzen gearbeitet. So haben sie es geschafft, ihren Vorsprung zu halten und immer weiter auszubauen. Wenn der deutsche Mittelstand diese Tugend der überlegenen Prozess- und Lösungskompetenz weiter ausbaut und gleichzeitig die Potenziale nutzt, die sich durch Skalen- und Kostenvorteile im chinesischen Markt bieten, sehe ich keine Nachteile für die deutschen Mittelständer – sondern eher die Chance, sich nachhaltig eine globale Position zu sichern. So hat beispielsweise auch die Übernahme von Putzmeister durch Sany gezeigt, dass die Standorte in Deutschland durch größere Skaleneffekte und weitere F&E-Investitionen gestärkt wurden. Natürlich sehen wir auch Risiken, aber wir teilen die Sicht vieler erfolgreicher Unternehmer, dass es besser ist, sich durch eine partnerschaftliche Aufstellung stärker im Markt zu positionieren, als sich abzukapseln.

Herr Seibold, vielen Dank für das Gespräch

 

Zur Person

Wolfgang SeiboldWolfgang Seibold ist Partner und Managing Director bei AGIC Capital in München. Er zählt zum Gründungskreis der Private Equity Gesellschaft. Seibold war Partner bei Earlybird Venture Capital. Zuvor war der Diplom-Physiker für Boston Consulting tätig. AGIC Capital ist auf Investitionen in deutsche und europäische Technologieführer aus dem Bereich Industrie 4.0. spezialisiert. Die 2015 gegründete Beteiligungsgesellschaft geht auf die Initiative von Henry Cai zurück, der bis Ende 2014 für den Investment-Banking-Bereich der Deutschen Bank im Raum Asien/Pazifik verantwortlich zeichnete. Im August 2015 verkündete der Fonds von AGIC Capital bereits das First Closing bei 550 Mio. USD. Angestrebt ist ein Volumen von 1 Mrd. USD.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch