China-Boom: neues Level statt Game Over

Neue Perspektiven: Wie geht es nach dem Rekordjahr 2016 mit Chinas Outbound-M&A weiter? Bildquelle: Fotolia; © zhu difeng

62 Übernahmen mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 11 Mrd. EUR – 2016 gingen chinesische Zukäufe und Beteiligungen in Deutschland durch die Decke. Der (Übernahme)Fantasie schienen keine Grenzen gesetzt. Im laufenden Jahr stehen nach drei Monaten jedoch gerade einmal eine Handvoll Transaktionen. Der China-Boom am deutschen M&A-Markt ist vorbei, wird deshalb vielerorts bereits geschlussfolgert. Dabei gingen im ersten Quartal auch im Rekordjahr 2016 nur neun Deals über die Bühne. Mit den nackten Zahlen lässt sich die 180-Grad-Wende also nicht erklären.

Richtig ist aber, dass sich das Umfeld verändert hat. Steigende Kapitalverkehrskontrollen der chinesischen Regierung, die jüngste Abwehrhaltung deutscher Politiker sowie der wachsende Reifegrad der chinesischen Wirtschaft sind die wesentlichen Risiken. Exemplarisch dafür steht der Ende 2016 geplatzte Verkauf des Maschinenbauers Aixtron an den chinesischen Investor Grand Chip Investment.

Natürlich war Aixtron ein spezieller Fall, doch Veränderungen im Umfeld  lassen sich nicht wegdiskutieren. Und selbstverständlich werden Transaktionen dadurch nicht unbedingt leichter. Dennoch gehen gemäß einer aktuellen Roland-Berger-Umfrage immer noch 57% der Marktteilnehmer von einem steigenden Wettbewerb durch chinesische Investoren aus. Mit Blick auf den Mittelstand sind es sogar 63%. Das klingt nicht danach, dass wir kurz vor dem „Game over“ stehen. Vielmehr wurde mit den erfolgreichen Transaktionen der Vergangenheit und den damit einhergehenden Lerneffekten ein neues Level erreicht. Und mit jedem Level werden die Anforderungen an die Beteiligten höher, wie jeder Computerspieler weiß. So sind chinesische Käufer weltoffener und erfahrener geworden und kommen längst nicht mehr nur bei Insolvenzfällen zum Zuge, sondern gehen aktiv auf Technologie- und Marktführer zu. Das ist ganz im Interesse Pekings. Im Strategie-Konzept „Made in China 2025“ fordern die Planer, dass sich heimische Unternehmen durch Beteiligungen und Übernahmen Zugang zu fortgeschrittenen Technologien aus dem Ausland verschaffen, um in Schlüsseltechnologien wie Automatisierung, Medizintechnik oder High-end-Maschinenbau den Sprung an die Weltspitze zu schaffen.

Es kommt also auf den Branchenfokus an. In besonders geförderten Bereichen werden die verschärften Bestimmungen für Outbound-Investitionen sicherlich nicht ganz so strikt angewandt. Durch intelligente Strukturen lässt sich die Transaktionssicherheit weiter erhöhen. Beispielsweise wenn vereinbart wird, dass in Deutschland erwirtschaftete Gewinne in den Ausbau der Aktivitäten in China fließen. Dahinter steckt die Logik, dass die chinesischen Behörden einer Transaktion viel eher zustimmen werden, wenn sie davon ausgehen können, dass dem einmaligen Kapitalabfluss aus China nach Deutschland später regelmäßige Rückflüsse folgen. Nicht zum Nachteil der deutschen Unternehmen. Vielmehr können diese Mittel in die notwendige Produktentwicklung und den Ausbau der deutschen Marke in China investiert werden. Der chinesische Partner unterstützt diesen Prozess mit Marktkenntnis und oft genug auch mit weiteren Mitteln. Das ist umso bedeutender, als sich in noch jungen Wachstumsbranchen wie beispielsweise dem Green-Tech-Sektor jetzt der Kampf um die Marktanteile entscheidet. Wollen deutsche Unternehmen ein gutes Stück vom chinesischen Milliardenmarkt abhaben, müssen sie vor Ort Präsenz zeigen. Ohne einen einheimischen Partner finden aber gerade Mittelständler nur schwer Zugang. Und das liegt nicht nur an der zugegeben mangelhaften Öffnung für ausländische Unternehmen in China, sondern vor allem an fehlenden Kapazitäten und fehlender Marktkenntnis der deutschen Firmen. Dieses enorme Synergiepotenzial wird auch durch das im Jahresverlauf erwartete neue Regelwerk der chinesischen Behörden für Outbound-Investitionen nicht kleiner. Folglich werden wir auch 2017 noch zahlreiche Transaktionen sehen. Vielleicht nicht ganz so viele wie im Vorjahr, aber dafür auf einem noch höheren Level.

 

 

Thomas Stewens, BankMThomas Stewens ist Mitbegründer und Leiter der BankM – Repräsentanz der biw AG. Er ist verantwortlich für Strategie und Kommunikation der BankM. Thomas Stewens hat über 18 Jahre Erfahrung bei der Begleitung von Eigenkapitaltransaktionen in verschiedenen Bereichen des Investment Banking (M&A, IPO, SPO, Private Equity, PIPEs). Er war sechs Jahre lang Mitglied des Vorstands einer deutschen börsennotierten Wertpapierhandelsbank mit Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen, verantwortlich für das Corporate-Finance-Geschäft. Zuvor war er mehrere Jahre für eine deutsche Großbank tätig, bei der er die für Zentraleuropa zuständige Investment-Banking-Einheit erfolgreich aufbaute. Thomas Stewens hat in dieser Zeit über 60 Eigenkapitaltransaktionen mit kleinen bis mittleren Volumina (2-120 Mio. EUR) erfolgreich begleitet.

 

Der Beitrag ist in der Ausgabe 5/2017 der M&A Review erschienen.

 

 

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