„Chinesische Investoren haben ein langfristiges Interesse“

Aus E-Mag M&A China/Deutschland 01/2014

Der deutsche Markt gewinnt für chinesische Investoren immer mehr an Attraktivität. Doch die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ist noch keine Routine. Auch die Bertelsmann Stiftung hat sich der Thematik angenommen.

Unternehmeredition: Warum entscheiden sich deutsche Unternehmen für einen strategischen chinesischen Investor?

Jungbluth: Vielen mittelständischen Unternehmen fällt die Expansion in den chinesischen Markt nach wie vor schwer. Ein chinesischer Investor kann hier Türen öffnen, die sonst verschlossen blieben. Er denkt zumeist langfristig und ist bei Übernahmen daran interessiert, den Standort in Deutschland zu erhalten. Gerade für Familienunternehmen, bei denen es in vielen Fällen Nachfolgeprobleme gibt, ist das ein wichtiger Faktor. Chinesische Investoren sorgen zudem für frisches Kapital und helfen damit dem Unternehmen aus der Kreditklemme.

Aus welchen Gründen sind deutsche Unternehmen für chinesische Investoren attraktiv?
Die Investoren sind an Spitzentechnologie interessiert, die sie sonst mühsam über viele Jahre hinweg selber entwickeln müssten. Sie wollen meist auch ein Standbein in Europa aufbauen, neben den USA der wichtigste Standort, um als Unternehmen wirklich international zu werden. Sie suchen Zugang zum deutschen Markt, dem größten und kaufkräftigsten der EU. Einige Investoren sehen eine solche Investition zudem als Möglichkeit, nicht tarifäre Handelshemmnisse der EU zu umgehen.

Gibt es bei solchen Investitionen auch Nachteile?
Ja. Zwischen beiden Ländern bestehen erhebliche Unterschiede in der Geschäfts- und Unternehmenskultur sowie im Führungsstil. Besonders auf der Senior-Management-Ebene kommen beträchtliche Sprachprobleme hinzu, da die chinesische Seite oft kein Englisch beherrscht. Außerdem findet bei Übernahmen auf jeden Fall ein Technologietransfer statt. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis der chinesische Mutterkonzern technologisch aufgeholt hat. Dann stellt sich die Frage, was mit dem deutschen Standort passiert. Viele chinesische Beteiligungen in Deutschland sind noch sehr jung. Erst die nächsten Jahre zeigen, in welche Richtung sich diese Aktivitäten entwickeln werden.

Wo sehen Sie die Unterschiede zu strategischen Investoren besonders aus dem anglo-amerikanischen Raum?
Chinesische Investoren agieren in der Regel langfristig. Für sie stehen nicht der schnelle Gewinn oder Zerschlagung und Wiederverkauf des Unternehmens im Vordergrund. Sie investieren oft in Gebäude und neue Anlagen und zeigen damit ihr langfristiges Interesse. Die Investoren nehmen zum Teil einige Zeit Verluste in Kauf und geben dem deutschen Standort Zeit, sich zu entwickeln.

Chinesische Investoren äußern sich in der Öffentlichkeit nur wenig über ihre Ziele und Pläne mit deutschen Unternehmen. Warum?
Chinesische Unternehmen sind stark kundenorientiert. Sie interessieren sich nicht für den übrigen Teil der Öffentlichkeit. In China ist eine aktive Pressearbeit und Unternehmenskommunikation unüblich. Es fehlt die Sensibilisierung, dass dies in Deutschland anders ist. Oft gibt es bei chinesischen Managern auch kein Bewusstsein dafür, wie Medien und Öffentlichkeit in Deutschland ticken. Hinzu kommt: Die China-Berichterstattung der deutschen Medien ist negativ geprägt. Chinesische Unternehmen haben Angst, dass über sie negativ berichtet wird, und vermeiden öffentliche Auftritte.

Zur Person

Cora Francisca Jungbluth ist Project Manager für Programme Germany and Asia bei der Bertelsmann Stiftung. www.bertelsmann-stiftung.de

Cora Jungbluth, Project Manager Programme Germany and Asia, Bertelsmann Stiftung

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