„Die Unsicherheit ist geradezu explodiert“

Warnung vor Protektionismus: Clemens Fuest vom ifo-Institut weist auf die Konsequenzen der aktuellen Handelskonflikte für Konjunktur und Unternehmen hin. 警惕贸易保护主义:ifo经济研究所的Clemens Fuest教授指出当前贸易冲突将对全球经济和企业造成影响。

„Die Zeit ist aus den Fugen.“ Mit diesem Hamlet-Zitat leitete der Bayerische Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer seine Eröffnungsrede anlässlich des 12. Bayerischen Finanzgipfels ein. Damit bezog er sich nicht nur auf die aktuellen internationalen Spannungen wie den Handelskonflikt zwischen China und den USA oder die ungelösten europäischen Probleme wie den Brexit und die Schuldensituation Italiens. Auch unabhängig davon befindet sich die globale Wettbewerbssituation für deutsche Unternehmen in einem nachhaltigen Wandel. China kristallisiert sich auf Zukunftsfeldern wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz immer klarer als ein entscheidender Player heraus.

Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz sieht der bayerische Wirtschaftsminister China und die USA in der Champions League spielen. Deutschland sei in dieser Liga nicht dabei. Pschierer, der erst im Juli in Chengdu die dritte Repräsentanz des Freistaats im Reich der Mitte persönlich eröffnet hatte, beschrieb eine Umkehr der Rollenverteilung: Vor ein paar Jahren noch traten deutsche Delegationen im Bewusstsein des technologischen Vorsprungs der heimischen Unternehmen in China sehr selbstbewusst auf. Mittlerweile sind es offizielle Vertreter aus der Volksrepublik, die bei Besuchen im bayerischen Wirtschaftsministerium sehr klar ihre Vorstellungen zum Ausdruck bringen. Im Mittelpunkt steht dabei meist die Belt-and-Road-Initiative, das Kontinente umspannende Infrastrukturprojekt der Regierung in Peking. Hier gehen die Chinesen nach Ansicht Pschierers sehr entschlossen und stringent vor.

Bedrohung aus Übersee

Doch aktuell sorgt ein Amerikaner für die größten Verwerfungen „Mit Donald Trump wird die alte Weltordnung auf die Probe gestellt“, stellte der Wirtschaftsminister fest. Und: „Wir sind keine unbeteiligten Dritten.“ Für eine derart offene und global integrierte Volkswirtschaft wie Deutschland erkennt Pschierer in Zöllen und Sanktionen – ob sie sich direkt gegen das eigene Land und die EU wie im Fall der Stahl- und Aluminiumtarife oder gegen Dritte wie China richten – eine große Bedrohung.

Unternehmen spüren Auswirkungen

Die Unternehmen sind derweil verunsichert, wie Professor Clemens Fuest, Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, feststellte. In den letzten vier Monaten ist in den ifo-Umfragen der Indikator, der den Grad der Verunsicherung bei den Unternehmen misst, massiv angestiegen. „Die Unsicherheit ist in den vergangenen Monaten geradezu explodiert“, so Fuest. Der Indikator bewegt sich derzeit auf dem Niveau von 2008 während der Lehman-Krise. Die Folge: Die Unternehmen stellen ihre Investitionen zurück. Nach Ansicht des ifo-Chefs steht aufgrund dieses negativen Konjunkturimpulses mittelfristig eine Rezession zu erwarten. Dass der Handelsstreit zwischen den USA und China sich längst auf internationale agierende Konzerne auswirkt, bestätigte Dr. Nicolas Peter, CFO bei BMW. Laut seinem Finanzvorstand rechnet der bayerische Premiumautobauer durch den Konflikt der weltweit größten Wirtschaftsnationen bereits mit einer Bremsspur in der Gewinn- und Verlustrechnung in Höhe von 300 Mio. EUR.

Hochkarätige Veranstaltung

Der hochkarätig besetzte Bayerische Finanzgipfel fand dieses Jahr am 22. Oktober statt und wurde zum ersten Mal von der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ in Zusammenarbeit mit Convent ausgerichtet. In der Münchner Allerheiligen-Hofkirche führten die Zeit-Redakteure Mark Schieritz und Jens Tönnesmann durch das Reden- und Diskussionsprogramm. Rund 400 Gäste nahmen an der Veranstaltung teil.

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