Lockruf des schwachen Euro

Die chinesische Regierung tritt in bestimmten Branchen gezielt auf die Bremse, um eine Überhitzung zu vermeiden. So muss der Wachstumsmotor der vergangenen zwei Jahrzehnte, der Immobiliensektor, jetzt deutlich kleinere Brötchen backen. Gleichzeitig versucht Peking die Ausrichtung der gesamten Wirtschaft umzustellen: weg vom überkommenen Modell eines exportlastigen Billiglohnlands hin zu modernen Strukturen, die auf einem starken Konsumsektor und Hightech-Industrien beruhen. Doch die Anpassungen brauchen Zeit. Mit der wirtschaftlichen Neuorientierung geht somit auch eine Phase der Wachstumsschwäche einher. Welche Folgen hat dies nun für den deutsch-chinesischen M&A-Markt? Zumindest im Outbound-Geschäft sind keine negativen Konsequenzen zu befürchten. Im Gegenteil: Pekings Going-Out-Kampagne ist nach wie vor in vollem Gange: Die chinesischen Unternehmen sollen sich in Übersee neue Märkte erschließen und sich dort modernste Technologien und Managementmethoden aneignen. Angesichts der aktuell schwachen Binnenkonjunktur verstärkt die Zentralregierung sogar noch ihre Unterstützung und baut regulatorische Hürden weiter ab. Seit einigen Monaten kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: der schwache Eurokurs. Er beflügelt die Übernahmephantasie chinesischer Investoren gerade in Deutschland. Warum ist das so?

Wechselkurs begünstigt Outbound

Der Wirtschaftswissenschaftler Klaus E. Meyer, Professor an der China European International Business School (CEIBS) in Shanghai, führt den Effekt auf das langfristige Denken hinter den Investments chinesischer Unternehmen zurück. „Chinesen investieren typischerweise in Technologie und wollen von den Deutschen lernen“, erklärt Meyer. „Da der langfristige Wert der Investition unverändert bleibt, ist es attraktiver, jetzt die Möglichkeit zu nutzen und zu einem günstigen Wechselkurs einzusteigen“. Darin unterscheide sich die Motivation der Chinesen von anderen internationalen Investoren etwa aus den USA, die stattdessen vor allem auf die Umsatzentwicklung von Übernahmezielen schauten. Auf eine Unternehmensbewertung anhand der Umsätze habe der Wechselkurs dagegen keinen Einfluss. Denn mit einem fallenden Euro sinke nicht nur der Übernahmepreis, sondern gleichzeitig auch der Wert der Umsatzerlöse des Zielunternehmens in Europa. Stimmen aus der M&A-Praxis bestätigen die Argumente des CEIBS-Wissenschaftlers. „Schon in der Finanzkrise haben chinesische Investoren die Gelegenheit zu preisgünstigen Übernahmen in Deutschland und Europa genutzt“, sagt Jens-Peter Otto, Partner und China-Experte bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Ähnliches sei jetzt angesichts des schwachen Euro zu erwarten.

 

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