Positive Projektlage entlang der Seidenstraße

Der Kongress "Seidenstraße 2018 – Handeln auf neuen Wegen", am 25. Juli 2018 in Nürnberg, bündelt die zentralen Fragestellungen und zeigt Optionen für europäische Unternehmen auf. Bildquelle: Adobe Stock; © gui yong nian

Das Megaprojekt zur Wiederbelebung der Seidenstraße ist für einen Großteil der deutschen Unternehmen sowie auch der breiteren Öffentlichkeit nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Am 25. Juli veranstaltet die NürnbergMesse in Ihren Hallen unter dem Motto „Seidenstraße 2018 – Handeln auf neuen Wegen“ einen Kongress hierzu. Aus diesem Anlass beantwortet Prof. Dr. Christian Rödl die wichtigsten Fragen zu der Initiative der chinesischen Regierung und erläutert, wie deutsche Unternehmen davon profitieren können.

Wie hat sich das Projekt „Neue Seidenstraße“ in den vergangenen Jahren entwickelt und wie sieht die Projektlage aktuell aus?

Wir beobachten, dass sich die Projektlage entlang der Seidenstraße aktuell sehr positiv entwickelt. Als das Projekt „Neue Seidenstraße“ unter der Bezeichnung „Belt and Road“-Initiative (BRI) im Jahr 2013 vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping ins Leben gerufen wurde, wurde die Idee vor allem im Westen mit großer Skepsis betrachtet. Es dauerte in der Tat erst einige Zeit bis sich konkrete Projekte herauskristallisierten, die Finanzierungsfragen geklärt wurden und – was vor allem für unsere Mandantschaft von Interesse ist – die Auftragsvergabe strukturiert war.

Der große internationale Durchbruch kam dann mit dem „Belt and Road Forum“ 2017 in Peking, als 29 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu Gast waren. Allein in diesem Umfeld wurden rund 8.000 Verträge chinesischer Unternehmen in knapp 60 Ländern unterschrieben. Gemäß Aussagen der Reformkommission der chinesischen Zentralregierung (NDRC – National Reform and Development Commission) wird davon ausgegangen, dass im Zeitraum von 2017 bis 2022 jährlich zwischen 120 bis 130 Milliarden USD investiert werden. Das Gesamtvolumen beläuft sich nach derzeitigen Schätzungen auf ca. 900 Milliarden USD.

Mittlerweile befinden sich viele Einzelprojekte entlang der „neuen Seidenstraße“ in der Umsetzungsphase, und dieses Bild wird auch in den nächsten Jahren vorherrschend sein. Natürlich können äußere Faktoren die Lage jederzeit unvorhergesehen verändern: Politische Umbrüche oder Finanzierungsprobleme zum Beispiel werden mit Sicherheit das eine oder andere Projekt stoppen – und gleichzeitig an anderer Stelle ein neues entstehen lassen.

Was ist der strategische Fokus der Neuen Seidenstraße und welche Aspekte des Projekts sind besonders für deutsche Unternehmen attraktiv?

China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Asien und Deutschland gleichzeitig der wichtigste Handelspartner Chinas in der EU. Zeitgleich haben viele Länder entlang der Seidenstraße gemeinsame Defizite, die ihre wirtschaftliche Entwicklung bremsen: unzureichende Transportinfrastruktur, mangelnde Energieversorgung, ungenügende medizinische Versorgung und ein verbesserungswürdiges Bildungssystem. Im strategischen Fokus der BRI stehen der Aus- und Aufbau interkontinentaler Handels- und Infrastrukturnetze. Dementsprechend fließt ein Großteil der Investitionen in Projekte, die beispielsweise die Verbesserung der Infrastruktur der jeweiligen Länder betreffen, deren Energieversorgung, den Handel oder die finanzielle Integration: Das Projektportfolio entlang der zwei Hauptrouten (maritim sowie landläufig) reicht vom Bau von Hochseehäfen in Pakistan und Malaysia über Zugverbindungen quer durch Asien und Ost-Europa bis hin zur Etablierung von Sonderwirtschaftszonen in Polen und Weißrussland.

Im Umkehrschluss entsteht damit auch ein attraktiver neuer Markt mit vielen Anschlussmöglichkeiten an weitere Märkte, die sich deutsche Firmen erschließen können: Sei es aktiv mit dem Einbringen ihres Know-hows und/oder als Investor.

Welche Möglichkeiten gibt es für deutsche Unternehmen, sich an Projekten entlang der Seidenstraße zu beteiligen?

Die Bandbreite an Möglichkeiten ist grundsätzlich groß. Im Moment sind deutsche Unternehmen vorwiegend als Lieferanten von Spezialmaschinen und Kernkomponenten und in Einzelfällen auch als Subunternehmer bei Großprojekten eingebunden und treten nicht als Generalunternehmer auf. Wir sehen in unserem Mandantenkreis gerade im Bereich der mittelständischen Logistikunternehmen enormes Potenzial, wachsendes Interesse und die Bereitschaft, an diesen Projekten zu partizipieren – von der aktiven Nutzung neugeschaffener Zugverbindungen, die den Warenverkehr zwischen Deutschland und China beschleunigen, über das Angebot qualitativ hochwertiger Lösungskonzepte bis hin zur Bereitstellung regionalen Know-hows. Der deutsche Mittelstand ist international gut vernetzt und sehr flexibel. Das ermöglicht einen rechtzeitigen Markteintritt nach fachgerechter Prüfung – und zwar an allen strategisch entscheidenden Knotenpunkten. Agilität und Mut, die neuen Märkte zu erschließen, sind entscheidende Pluspunkte.

In dieser Konstellation profitieren China und die Länder entlang der Seidenstraße ganz klar von der jeweiligen Fachexpertise deutscher Unternehmen: Die Erfahrung zeigt, dass das technische Know-how in speziellen Feldern bei chinesischen Staatsunternehmen noch nicht soweit ausgeprägt ist. China ist auf den Zukauf von Expertenwissen angewiesen, was die Beauftragung gerade von deutschen Mittelständlern, aber auch von Konzernen aus unserer Sicht recht wahrscheinlich macht. Vor allem in den Bereichen Energieversorgung und Energiesicherung, im Maschinenbau, bei Ingenieursdienstleistungen, Beratungs- und Finanzdienstleistungen sehen wir langfristig gute Chancen. Der Wissensvorsprung von Unternehmen mit Spezialkompetenz ist weiter gefragt. Daneben wird in den nächsten Jahren entlang der Seidenstraße auch der Bedarf an Fachexpertise in den Bereichen Biomedizin, Gesundheitswesen, Pharmazie und Digitalisierung weiter steigen.

 

Zur Person

Prof. Dr. Christian Rödl berät Familienunternehmen und deren Inhaber vorwiegend zur grenzüberschreitenden Struktur von Unternehmensgruppen und Privatvermögen sowie zur Unternehmens- und Vermögensnachfolge. Er ist Honorarprofessor an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg und lehrt Unternehmensnachfolge und Internationale Steuerplanung. Auf diesen Gebieten ist er Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Fachaufsätze. Prof. Dr. Rödl ist Mitglied in mehreren Beiräten, Aufsichts- und Stiftungsräten. Er ist Vizepräsident der IHK Nürnberg für Mittelfranken.​