Realitätsschock, Risikomanagement und Reparatur von Toilettenspülungen

Strom abgedreht: Nach dem US-Lieferstopp fehlten ZTE zentrale Komponenten wie Mikroprozessoren für die Produktion. 科技封锁:美国政府宣布对中兴进行制裁之后,中兴购入芯片等核心部件的途径被中断。Bildquelle: Adobe Stock; © Edelweiss

Sorgfältiges Risikomanagement sollte Kernbestandteil jeder Übernahme sein. Aus Sicht des Zielunternehmens stehen Transaktionen unter Beteiligung von chinesischen Investoren dabei oft im Zeichen der Identifizierung und Minderung von innerbetrieblichen Risiken. Allerdings werden äußere Einflussfaktoren häufig unterschätzt. Angesichts der aktuellen Handelskonflikte ist ein gesamtheitlicher Risikomanagementansatz ratsam.

Seit einiger Zeit eskaliert der Handelskonflikt zwischen den USA und China. Während es in der Vergangenheit handelspolitische Spannungen mit China gegeben hat, droht der derzeitige Handelskonflikt, eine neue Dimension zu erreichen. Handelsspannungen in der näheren Vergangenheit waren primär gekennzeichnet durch unterschiedliche Positionen hinsichtlich Marktzugang und Anpassung bzw. Abbau von Einfuhrzöllen und nicht-tarifären Handelsschranken. Im Gegensatz dazu liegt dem derzeitigen Handelskonflikt auch die neue Realität zugrunde, dass sich China mehr und mehr zu einem ebenbürtigen Rivalen der USA entwickelt und die Trump-Administration entschlossen zu sein scheint, dieser Machtverschiebung entgegenzuwirken. Daher ist es durchaus möglich, dass der jetzige Konflikt mit noch wesentlich härteren Bandagen und höheren Einsätzen geführt werden wird. Auch ist ein lange anhaltender Handelskrieg nicht auzuschliessen. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Risiken von Unternehmensübernahmen unter Beteiligung von chinesischen Käufern. Daher sollten Risikomanagementansätze dieser neuen Realität gerecht werden.

Übernahmen westlicher Firmen durch chinesische Käufer werden im Zielland häufig kritisch betrachtet. Neben allgemeinen Risiken, die bei allen Unternehmensübernahmen zu berücksichtigen sind, stehen dabei oft spezifische Risiken im Vordergrund, die mit chinesischen Eigentümern verbunden werden. Chinesischen Investoren wird häufig unterstellt, primär an Technologieklau und „Asset Stripping“ interessiert zu sein. Des Weiteren gibt es oft große Befürchtungen hinsichtlich Beschäftigungs- und Standortsicherheit. Auch wird infrage gestellt, ob chinesische Firmen – selbst wenn sie langfristig orientierte unternehmerische Ziele verfolgen – über ausreichende Management-Fähigkeiten verfügen, um übernommene westliche Firmen erfolgreich zu führen.

Risikomanagement 1.0

Der Risikomanagementansatz, der dabei seitens Eigentümern, Belegschaft und Arbeitnehmervertretern verfolgt wird, zielt darauf ab, diese Risiken auszuschließen oder zumindest zu mindern. Zum Beispiel werden von chinesischen Investoren Garantien in Sachen Technologie-, Arbeitsplatz- und Standortsicherheit erwartet. Auch wird chinesischen Investoren nahegelegt, vorhandene Managementteams zu übernehmen oder durch lokal gewonnene Führungskräfte – und nicht nur durch chinesische Expatriates – zu ergänzen bzw. zu ersetzen.

Solche Maßnahmen sind durchaus zweckmäßig für das bestmögliche Management dieser innerbetrieblichen Risiken sowie für die weitmöglichste Absicherung der unternehmerischen Aspekte einer Übernahme. Allerdings sind sie angesichts potenziell eskalierender und langandauernder Konflikte in der Weltwirtschaft als notwendiger, aber nicht als ausreichender Bestandteil eines gesamtheitlichen Risikomanagementansatzes zu sehen.

Neue Risikofaktoren

Neben innerbetrieblichen unternehmerischen Risiken sollten auch außerbetriebliche politische Risikofaktoren berücksichtigt werden. Der Fall des chinesischen Telekommunikationstechnologiekonzerns ZTE bietet sich dabei als ein gutes Lernbeispiel an:

Aufgrund von Nichteinhaltung einer Übereinkunft mit der amerikanischen Regierung hinsichtlich Lieferungen an den Iran und Nordkorea war gegen ZTE ein mehrjähriger Lieferstopp für amerikanische Firmen verhängt worden. Aufgrund der Abhängigkeit von amerikanischen Komponenten wie zum Beispiel Chips hatte ZTE große Teile der Produktion einstellen müssen. Diese existenzbedrohende Situation hatte auch skurrile Aspekte: So wurde berichtet, dass ZTE selbst defekte Toilettenspülungen nicht mehr reparieren ließ. ZTE befürchtete, dass die Einfuhr von Ersatzteilen von amerikanischen Sanitärproduktherstellern eine Verletzung des amerikanischen Technologieembargos darstellen könnte. Erst nach intensiven Verhandlungen und der Zahlung einer Strafe von 1 Mrd. USD hob die amerikanische Regierung das Technologieembargo gegen ZTE auf.

Obwohl es sich hierbei nicht um die Übernahme einer westlichen Firma durch einen chinesischen Investor handelt, ist dies ein gutes Beispiel, aus dem ersichtlich wird, wie weitreichend die Folgen außerbetrieblicher Risiken sein können. Alleine der Ausschluss vom Zugang zu amerikanischen Technologielieferanten kann sich schnell zu einer existenzellen Bedrohung für ein chinesisches Unternehmen und gegebenenfalls auch für dessen Tochtergesellschaften, einschließlich neu erworbener westlicher Firmen, entwickeln.

Gesamtheitliche Risikobetrachtung

Im Falle von anstehenden Unternehmensübernahmen durch chinesische Investoren sollten daher sowohl inner- als auch außerbetriebliche Risiken sorgfältig bewertet werden. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, deren Kernprodukte – und nicht nur Toilettenspülungen – technologisch kritische Komponenten von amerikanischen Lieferanten beinhalten, für die es unmittelbar keine realistischen Ersatzmöglichkeiten gibt.

Chinesische Investoren gelten in einigen Fällen als letzte Chance und häufig als angenehme Eigentümer für westliche zum Verkauf stehende Unternehmen. Ob angesichts der derzeitig politisch angespannten neuen Realität in der Weltwirtschaft eine Übernahme durch chinesische Investoren die wertigste Handlungsmöglichkeit ist, muss im Einzelfall abgewogen werden. Je nach Geschäftsmodell und Supply-Chain-Abhängigkeit sind im Rahmen einer gesamtheitlichen Risikobetrachtung chinesische Firmen vielleicht doch nicht in jeder Situation die sichersten Mutterhäuser. Für Eigentümer, Belegschaft und Arbeitnehmervertreter von zum Verkauf stehenden westlichen Unternehmen gilt frei nach Moltke d. Ä.: Erst alle Risiken wägen, dann die Transaktion wagen.

 

ZUR PERSON

Dr. Marc Szepan ist Lecturer in International Business an der University of Oxford Saïd Business School, wo er auch promoviert wurde. Davor nahm er verschiedene Managementfunktionen bei Lufthansa wahr, zuletzt als Senior Vice President, Airline Operations Solutions, bei Lufthansa Systems. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin.

www.sbs.ox.ac.uk

Marc Szepan ist Co-Leiter des Forschungsbereiches Wirtschaft beim Mercator Insitute for China Studie (MERICS).

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch